Provenienzforschung

Gemäldedepot, wo mehrere Gemälde auf Gitterwänden aufgereiht sind
Blick ins Gemäldedepot des Landesmuseums Mainz

Der Begriff „Provenienz“ (aus dem Lateinischen, von „provenire“, „herkommen“) bezeichnet die Herkunft eines Gegenstands oder einer Person. Als Teildisziplin der Kunstgeschichte widmet sich die Provenienzforschung der Geschichte der Herkunft von Kunstwerken und Kulturgütern mit dem Ziel, die früheren Besitzverhältnisse eines Objekts zu klären.

Im Fokus stehen dabei Gegenstände, die vor 1945 entstanden und nach 1933 in den Museumsbestand gelangt sind. Hier muss geprüft werden, ob sie Gegenstand eines NS-verfolgungsbedingten Vermögensverlusts geworden sind, also z.B. von ihren Vorbesitzern zwangsweise und unter Wert verkauft oder beschlagnahmt wurden.

Die Grundlage für diese Forschungen bilden die Washingtoner Prinzipien, mit deren Unterzeichnung die Bundesrepublik Deutschland  sich im Dezember 1998 dazu verpflichtet hat, Kulturgüter, die in der NS-Zeit verfolgungsbedingt entzogen wurden, zu identifizieren, deren rechtmäßige Eigentümer ausfindig zu machen und mit ihnen gerechte und faire Lösungen zu finden. Zur Umsetzung dieser Verpflichtung haben der Bund, die Länder und die kommunalen Spitzenverbände im Dezember 1999 die Gemeinsame Erklärung verabschiedet, in der sie sich zur Auffindung und Rückgabe NS-verfolgungsbedingten Kulturgutes, insbesondere aus jüdischem Besitz, erklärt haben.

Ansprechpartnerin
Bei wissenschaftlichen Anfragen zur Provenienzforschung wenden Sie sich bitte an:

Dorothee Glawe, M.A. 
dorothee.glawe(at)gdke.rlp.de

Logo Deutsches Zentrum Kulturgutverluste

Förderung
Die Provenienzforschung am Landesmuseum Mainz wird gefördert durch die Stiftung Deutsches Zentrum Kulturgutverluste.

Altes Inventarbuch
Inventarbuch

Auf der Grundlage der Washingtoner Prinzipien hat das Landesmuseum Mainz bereits 1998 eine Dokumentation derjenigen Bestände aus seinem Museum erstellt, bei denen aufgrund der Zugangsumstände der Verdacht auf einen NS-verfolgungsbedingten Entzug nicht ausgeschlossen werden kann. Die Liste dieser Verdachtsfälle wurde 2006 in der Datenbank Lost Art als Fundmeldung publiziert.

Seit April 2016 führt das Landesmuseum Mainz mit der Förderung durch die Stiftung Deutsches Zentrum Kulturgutverluste Projekte zur systematischen Überprüfung dieser Verdachtsfälle durch.

Die Provenienzforschungsprojekte am Landesmuseum

Systematische Prüfung der Erwerbungen der Gemäldegalerie und des Altertumsmuseums der Stadt Mainz in den Jahren 1933–45

1967 wurden das Altertumsmuseum und die Gemäldegalerie der Stadt Mainz, damals beides Museen in städtischer Trägerschaft, zum Mittelrheinischen Landesmuseum Mainz zusammengeschlossen. Ein Großteil des heutigen Objektbestandes des Landesmuseums stammt daher aus den Beständen beider Vorgängerinstitutionen. Diese Objekte sollen nun in ihrer Gesamtheit für die Ankaufsjahre 1933-1945 systematisch überprüft und untersucht werden, um möglicherweise oder eindeutig NS-verfolgungsbedingt entzogene Kulturgüter im Bestand zu identifizieren.

Zur genauen Erfassung der Erwerbungen wird zunächst aus den in großen Teilen nur fragmentarisch erhaltenen Archivalien des Hausarchivs des Landesmuseums sowie nach der Begutachtung der Objekte selbst eine detaillierte Liste aller zwischen 1933-45 erworbenen Objekte erstellt werden. Auf dieser Grundlage wird entschieden, welche Provenienzen konkret im zweiten Teil des Projektes eingehender untersucht werden müssen.

Ziel der Recherche wird dabei nicht nur die Klärung der Provenienzen und Erwerbsumstände der Objekte sein, sondern auch eine generellere Untersuchung der Ankaufspolitik der Jahre 1933-45 für das Altertumsmuseum und die Gemäldegalerie. Denn die bis 1967 zwar formal getrennten Institutionen unterstanden bereits seit den 1930er Jahren immer wieder denselben Direktoren. Die Untersuchung wird daher auch aufschlussreiche Informationen über die Sammlungspolitik sowie im weiteren Verlauf über den regionalen Kunsthandel im Allgemeinen liefern.

Die Ergebnisse der Recherchen werden durch eine laufende Aktualisierung in der hausinternen Datenbank dokumentiert. Um die Ergebnisse transparent zu vermitteln, werden im Landesmuseum außerdem im Rahmen der „Kunst in der Mittagspause“ regelmäßig Kurzführungen zu einzelnen Objektbiographien, sowie besondere Rahmenprogramme zum Holocaust-Gedenktag, zum Tag der Provenienzforschung und der Mainzer Museumsnacht stattfinden.

Recherche nach Provenienzen und Besitzverhältnissen von widerrechtlich entzogenen Gemälden, Grafiken und Möbeln jüdischen Besitzes

Das Landesmuseum Mainz bewahrt einen Bestand von ca. 60 Gemälden, 150 Grafiken und 9 Möbelstücken, die in den Jahren 1941–1944 unrechtmäßig aus jüdischem Besitz eingezogen wurden. Schriftwechsel im Hausarchiv des Landesmuseums sowie im Stadtarchiv Mainz weisen nach, dass die Bestände im Rahmen mehrerer Überweisungen durch das Oberfinanzpräsidium Hessen in Darmstadt sowie die Verwertungsstelle des Finanzamts Mainz-Stadt ins Museum gelangt sind und aus jüdischem Besitz stammen. Das seit April 2016 geförderte und von Frau Dr. Emily Löffler bearbeitete Projekt konzentrierte sich auf die Recherche der Provenienzen und Besitzverhältnisse dieser Objekte.

Für die Recherche wurden in einem ersten Schritt die Objekte selbst untersucht und die Nummern, Zettel oder Stempel auf den Rückseiten ausgewertet. In einem zweiten Schritt erfolgten vertiefte Archivrecherchen im Hausarchiv des Landesmuseums, dem Stadtarchiv Mainz, den Aktenbeständen der Finanzämter Mainz, Darmstadt und Gießen sowie Wiedergutmachungsakten.

Die Ergebnisse der Recherchen wurden durch eine laufende Aktualisierung der in Lost Art eingestellten Fundmeldungen zu den Gemälden, Grafiken und Möbeln dokumentiert. Um die Ergebnisse transparent zu vermitteln, fanden im Landesmuseum außerdem im Rahmen der „Kunst in der Mittagspause“ regelmäßig Kurzführungen zu einzelnen Objektbiographien statt. Die Projektergebnisse wurden zum Abschluss des Projekts im Rahmen der Ausstellung „Betrifft: Erwerb aus jüdischem Besitz“. Provenienzforschung am Landesmuseum Mainz vom 17. Februar 2019 bis zum 28. April 2019 im Museum vorgestellt.

Mehr über die Provenienzforschung am Landesmuseum

Video: Geschenk einer Mainzerin

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Video: Der Fall Karoline Weis

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Beitrag des SWR zur Kunstsammlung des Felix Ganz

Einzelne Objekte aus der Sammlung von Felix Ganz befinden sich heute im Landesmuseum Mainz. Ganz führte einen Großkonzern für Textilimport und -export in Mainz und baute nebenbei eine beachtliche private Sammlung für ostasiatische und orientalische Kunst auf. Nach der Machtübernahme der Nazis wurde der jüdische Geschäftsmann enteignet. Seine Kinder flohen ins Ausland. Felix Ganz und seine Frau wurden in Auschwitz ermordet und die Familie Ganz geriet in Mainz in Vergessenheit. 

Der in London lebende Urenkel Adam Ganz versucht nun die Kunstsammlung zu rekonstruieren. Unterstützt wird er dabei von Natalie Neumann M.A., Provenienzforscherin an der JGU Mainz., die die Kunstsammlung in einem eigenen Projekt untersucht. 

Über ihre gemeinsame Forschungsarbeit haben sie im SWR berichtet, den Beitrag finden Sie hier:
SWR2: Die Verschollene Kunstsammlung des Mainzer Kaufmanns Felix Ganz